Die Blutegeltherapie ist ein Ausleitungsverfahren, bei dem künstlich eine Hautöffnung geschaffen wird, um „unsauberes“ Blut aus dem Körper auszuleiten. Die Wirkung der Blutegeltherapie beruht auf dem Blutverlust und den spezifischen Wirkstoffen, die in den Blutegeln enthalten sind. Die Blutegel produzieren in ihren Halsdrüsen einen gerinnungshemmenden Stoff namens Eglin oder Hirudin.
Hirudin wirkt gerinnungshemmend, beschleunigt den Lymphfluss, hat eine antithrombotische Wirkung, unterstützt das Immunsystem indirekt und erweitert lokal die Blutgefäße. Andere Wirkstoffe in den Blutegeln fördern die Durchblutung. Durch den Blutverlust von etwa 10 ml und die anschließende Nachblutung von mehreren Stunden (ca. 20-40 ml) ähnelt die Wirkung der Blutegeltherapie einem sanften und langsamen Aderlass. Sie wirkt entstauend, blutverdünnend, entzündungshemmend und hilft bei der Ausscheidung von Toxinen und Stoffwechselschlacken.
Geschichte der Blutegeltherapie
Die ersten Aufzeichnungen über die Blutegeltherapie stammen aus Indien (ca. 500 v. Chr.). In Europa wurde die Behandlung mit Blutegeln erstmals um 200 v. Chr. von den Griechen Nikander und Colophon erwähnt. Über Plinius und Galen setzte sich die Anwendung im Mittelalter bis zur Neuzeit fort. Im 18. Jahrhundert wurden in Frankreich innerhalb eines Jahres 100 Millionen Blutegel verwendet, weshalb die Methode zu dieser Zeit nicht zu Unrecht als Vampirismus bezeichnet wurde. Heutzutage erlebt die Blutegeltherapie in der Naturheilkunde und auch in der Chirurgie (zur Unterstützung von Replantationen) eine Renaissance.
Indikationen der Blutegeltherapie
Die Hauptindikationen für eine Blutegelbehandlung sind:
- Entzündliche Erkrankungen: chronische Sinusitis, chronische Otitis media
- Venöse Erkrankungen: Varikose/Besenreiser, akute Thrombophlebitis/Venenentzündung, postthrombotisches Syndrom, Ulcus cruris/offenes Bein/Unterschenkelgeschwür, Hämorrhoiden
- Gelenkerkrankungen: rheumatische Erkrankungen, Distorsion (Verstauchung), akuter Gichtanfall
- Lokale Infektionen: Furunkel, Karbunkel
- Migräne
- Hypertonie/Bluthochdruck
- Leberstau
- Lymphstau
Die Blutegeltherapie ist auch bei Arthrose sehr effektiv, da sie Schmerzen lindern und Schwellungen reduzieren kann. Oftmals werden bereits nach der ersten Behandlung mit Blutegeln spürbare Verbesserungen der Symptome festgestellt. Blutegel sind besonders effektiv bei entzündlichen und durchblutungseingeschränkten Erkrankungen.
Quellen: Naturheilpraxis heute 5.Auflage S.156 / Grundlagen der TEN S.153
Durchführung der Blutegelbehandlung
Blutegel reagieren empfindlich auf Gerüche und Ausdünstungen von Nikotin, Alkohol und Duftstoffen wie Parfüm oder Rasierwasser. Es wird empfohlen, vor der Behandlung nicht zu rauchen, am Abend zuvor keinen Alkohol zu konsumieren und sich am Morgen nicht zu parfümieren.
Um die Blutegel erfolgreich anzusetzen, wird die Haut mit Wasser gereinigt. Zur Förderung der Durchblutung wird das zu behandelnde Areal zuvor mit einem feucht-warmen Tuch eingerieben. Der Blutegel wird in ein Laborröhrchen oder eine abgeschnittene Spritze gegeben und mit dem Kopf direkt auf die Bissstelle gesetzt. Gegebenenfalls wird die Stelle zuvor mit einer Blutlanzette angestochen.
Je nach Indikation und Ort werden 2-6 Blutegel eingesetzt. Sie benötigen Ruhe und Halbdunkel, um ihre Arbeit zu verrichten, und fallen ab, sobald sie sich vollgesogen haben (30 Minuten bis 90 Minuten). Während dieser Zeit nimmt ein Blutegel etwa 10 bis 20 ml Blut auf. Sobald ein Blutegel genug Blut gesaugt hat, fällt er von alleine ab. Es ist wichtig, den Blutegel keinesfalls gewaltsam zu entfernen, da dabei der Kiefer in der Wunde verbleiben und zu einer Entzündung führen kann.
Die anschließende Blutung der Wunde ist wichtig und erwünscht. In dieser Zeit werden „ungesunde Säfte“ ausgeschieden und „saubere Säfte“ gebildet. Dadurch wird die Wirksamkeit erhöht und die Wunde von eventuellen Keimen befreit. Nachdem der Blutegel abgefallen ist, wird die Wunde mit einem sterilen und lockeren Verband versorgt und sollte am ersten Tag alle 2-3 Stunden gewechselt werden. Das Nachbluten kann noch einen Tag andauern.
Risiken und Nebenwirkungen
Es kann eine kleine Narbe zurückbleiben. Bei Krampfaderbehandlungen kann es zu einer längeren Nachblutung kommen. In seltenen Fällen können lokale allergische Reaktionen (Rötung, starker Juckreiz) auftreten, beispielsweise auf Hirudin oder das Pflaster. Diese Reaktionen können manchmal auch erst einige Tage später auftreten. In solchen Fällen können Quarkwickel oder lokale Antihistaminika helfen.
Kontraindikationen
Die Blutegeltherapie ist kontraindiziert bei Patienten, die blutverdünnende Medikamente einnehmen oder an Gerinnungsstörungen leiden (es ist wichtig, vor der Behandlung immer anzugeben, welche Medikamente eingenommen werden). Weitere Kontraindikationen sind massive Lebererkrankungen, die Zeit drei Tage vor und nach Zahnextraktionen oder Operationen, starke Anämie, Diabetes mellitus (erhöhte Infektionsgefahr), Hauterkrankungen an den Applikationsorten sowie bei arteriellen Verschlusskrankheiten, Gangrän in der Nähe, am Rand eines Ulcus cruris oder in einer bestrahlten Region.